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GRAFT Gesellschaft von Architekten mbH
Urbane Metamorphose
An der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg wurde das historische Postgelände revitalisiert und ein formenreiches, modernes Gebäudeensemble mit Backsteinfassade geschaffen.
Materialität und Technologie
Der östliche Teil des Grundstücks wurde in den Jahren 1901 bis 1919 nach den Plänen der Architekten Otto Spalding und Luis Ratzeburg für die Deutsche Reichspost erbaut und bis 1932 unter der Leitung des Architekten Fritz Nissle erweitert. Die im Stil der Moderne gehaltenen Erweiterungsbauten tragen dem Umstand Rechnung, dass die Reichspost zum damaligen Zeitpunkt motorisiert wurde. Abgerundete Baukörper mit stark horizontaler Fassadengliederung bilden einen Kontrast zum ursprünglichen Postamt. Dieses besitzt im Stil der Neorenaissance eine vertikale Gliederung mit Schmuckelementen aus Warthauer Sandstein.
Fritz Nissle wählte für die Erweiterungen Backstein als sichtiges Fassadenmaterial. Diese Tradition aufnehmend, wurde die Gesamtanlage erweitert. Auch die beiden Neubauten erhielten Ziegelfassaden, um sich so in das bestehende Ensemble einzufügen. Die technologischen Entwicklungen im Umgang mit den Materialien wurden lesbar gemacht: Die Techniken des Verbandes und des Fügens des Ziegels werden mit Hilfe einer parametrischen Formensprache und modernster Fertigungstechnologien ins 21. Jahrhundert überführt.
Die städtebauliche Situation
Der Gebäudekomplex ist zwischen Berlins Belziger Straße und der Hauptstraße gelegen, die sich in ihrem Charakter sehr unterscheiden. Im Bereich der Hauptstraße wird die bestehende Baulücke geschlossen. Der Baukörper erstreckt sich dabei ins Blockinnere und schließt an das Bestandsgebäude der Ortsvermittlungsstelle an. Die Idee dieses Anschlusses basiert auf einer in den 1920er-Jahren bereits genehmigten Planung des Architekten Fritz Nissle, die aufgrund der kurz darauf einsetzenden Weltwirtschaftskrise nicht umgesetzt wurde.
Der Anschluss an die Giebelwand des Postgebäudes und an den Nachbarn Hauptstraße 30 erfolgt über ein Zurückschwingen der Fassade, die in diesem Bereich zu einer geneigten Dachfläche wird, ebenso im mittleren Teil der Fassade, die aus Riemchen hergestellt wurde. In Anlehnung an die historische Bebauung der Hauptstraße werden so zwei giebelartige Strukturen ausgebildet. In Anlehnung an die historischen Hofdurchfahrten erhielt das Geb ude einen großzügigen Durchgang von der Hauptstraße in den Hof. Mit modernsten technischen Hilfsmitteln werden hier Ziegel und Geometrie, Denkmal und die parametrischen Entwurfsstrategien des 21. Jahrhunderts gestalterisch zusammengeführt.
Beim Neubau zur Hauptstraße prägen markante Fensterboxen, zurückschwingende Balkone in den oberen Geschossen und ein repräsentativer Eingang im Erdgeschoss das Erscheinungsbild.
Das Gebäude wird im Erdgeschoss durch einen Biomarkt, eine Verkaufsstätte und Büroeinheiten genutzt. Im ersten Obergeschoss sind Büros angesiedelt. In den darüberliegenden Geschossen befinden sich ausschließlich Wohnungen. Den Bewohnern auf dem Seitenflügel steht exklusiv eine großzügige gemeinschaftliche Dachterrasse von circa 160 Quadratmetern zur Verfügung. Das denkmalgeschützte Pförtnerhäuschen ist für Gastronomie vorgesehen.
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