The Interlock

Bureau de Change Architects

The Interlock

Rotierende Steine

Wie lässt sich eine Baulücke mit Material und Form möglichst kunstvoll füllen? Das zeigt das Wohn- und Geschäftshaus nahe des Oxford Circus in London, dessen markante Backsteinfassade in Bewegung zu sein scheint.


Im Londoner Stadtteil Fitzrovia – wo sich die Riding House Street zur Well Street öffnet – steht The Interlock, ein von Bureau de Change Architekten neu errichtetes, fünfgeschossiges Gebäude mit Mischnutzung im Zeichen innovativer Architektur.


In der Riding House Street finden sich unterschiedlichste architektonische Stilrichtungen wieder. Die fragmentierte Ästhetik der Straße wird durch die vorherrschende Verwendung von Backsteinen für die Fassaden optisch vereinheitlicht, mitunter sind sie sogar auf der Straßenoberfläche zu sehen. The Interlock greift diese Geschichte auf und nimmt die Proportionen des benachbarten Reihenhauses aus dem 19. Jahrhundert auf, wobei auf der Grundlage einer Neuinterpretation von dessen Backsteinfassade ein Gebäude entstanden ist, dessen architektonischer Zeitbezug offenbleibt. Es ist gleichermaßen historisch und zeitgemäß, vertraut und doch neuartig.


In einem bewussten Verzicht auf die herkömmlichen Dimensionen des Londoner Backsteins wurde eine Sammlung von 44 ungleichmäßig geformten und scheinbar nicht stapelfähigen Tonziegeln entwickelt. Die auf der Oberfläche sichtbaren Muster entstehen unter anderem durch die Wechselwirkung von Material und Struktur. Es scheint, als würden sich die Backsteine zwischen den Fenstern und Geschossen wellenartig erheben und wieder absenken, wobei sie als eingefügte Rahmen die äußeren Abmessungen des Gebäudes markieren. Für den Passanten entsteht der Eindruck, als würden die Backsteine sich wie Zahnräder bewegen. Durch eine 3D-Modellierung der Fassade konnte jede der Facetten individuell angepasst werden, um den strukturellen und produktionstechnischen Erfordernissen zu entsprechen, ohne die Einheit der Oberfläche zu beeinträchtigen.


Als Kontrast zu den Ziegelsteinen der Umgebung hat man für die Fassadengestaltung Staffordshire Blue Clay (dt. Blaulehm) ausgewählt. Der Tonmergel wurde in 14 handgefertigte Stahlformen eingebracht und unter Oxidation gebrannt, um die mattblaue Oberfläche zu erhalten. Nach dem Brennvorgang wurden diese 14 „Ausgangssteine“ so aufgeteilt, dass sie die Grundlage für die 30 „Nachkömmlinge“ bilden. Die Konstruktion der Backsteinlandschaft aus 5.000 Steinen hat drei Monate gedauert. Das Produktionsteam hat dafür ausgedruckte Schablonen in einem Maßstab von 1:1 benutzt, auf denen die Nummer, Typologie und Position eines jeden Backsteins vermerkt war. Bei der Zuordnung vor Ort sahen die 188 Schablonen wie eine Bauvorlage aus, die die Anordnung jedes einzelnen Backsteins darlegte.


Hinter der Fassade verbergen sich drei neue Wohneinheiten und auf Straßenebene ein Café und eine Galerie. Die Regelmäßigkeit der Proportionen und Fensteranordnung täuscht über die Komplexität der Kubatur und ihrer Masse hinweg. Auf der Rückseite ist das Gebäude als Reihe aufeinander gestapelter Kästen unterschiedlicher Form und Größe angelegt. Jedes Geschoss ist nach oben zurückgesetzt. Im stufenförmig abgesetzten Baukörper befinden sich mehrere tiefe Lichtschächte und Oberlichter, die Tageslicht in das Innere und die Randbereiche des Gebäudes einfallen lassen. Nach vorne geben die Räume in den unteren Geschossen den Blick auf die geschäftige Straße frei, weiter oben öffnet sich der Ausblick über die benachbarten Dächer und Kuppeln. Das Licht auf der Rückseite ist diffuser und verbreitet in den privaten Bereichen eine ruhigere Atmosphäre. Die Innenarchitektur der Wohneinheiten ist schlicht gehalten – Terrazzo-Bäder, Arbeitsflächen aus Naturstein, spritzlackierte Holzküchen und Eichenböden. Das lichterfüllte Café im Erdgeschoss bildet einen wirkungsvollen Kontrast zur Gewichtigkeit und Tintenschwärze der Fassade.


Das Projekt reflektiert den gemeinsamen Wunsch des Immobilienentwicklers und des Architekten, die Londoner Architektur neu zu denken und bereichert das Straßenbild durch ein innovatives Gebäude.

 

Bureau de Change Architects

Ort
London, Großbritannien
Bauherr
HGG London
Architektenprofil
Grundstückfläche
70 m²
Bebaute Fläche
70 m²
Nutzungsfläche
300 m²
Bauzeit
2017 – 2018
Baukosten
1,88 Mio. EUR