Can Sau. Emergency Scenery
unparelld’arquitectes
IMPROVISIERTE KULISSE
Ein zerstörter und bereits aufgegebener Ort im spanischen Olot wurde saniert und hat sich für die Bürger zu einem neuen Zentrum entwickelt. Der entstandene öffentliche Raum stellt bewusst Bezüge zur Geschichte des Ortes her und bietet zugleich Freiräume für individuelle Interpretationen und Nutzungen. Dafür brauchte es nicht mehr als eine durchlässige Fassade, die dem Gebäude in der dichten Stadtbebauung seinen Charakter gibt.
Im historischen Zentrum von Olot kommt es immer wieder zum Abriss von Gebäuden. Mögen die jeweiligen Gründe unterschiedlich sein, so sind die Folgen doch immer die gleichen: verlassene Parzellen, Verlust von Urbanität, Verschandelung des Straßenbildes, Zerstörung der üblichen Umgebung. Angesichts des Umstandes, dass die Hälfte des Can-Sau-Gebäudes bereits durch Straßenbaumaßnahmen gelitten hatte, wurde es vollständig abgerissen. Zurück blieb eine urbane Leerstelle mit einer Grenzmauer und vier Stützmauern gegenüber der Seitenfassade der Kirche des Schutzpatrons.
FASSADEN MIT CHARAKTER
Im Zuge der geplanten Pflasterung der Straße sowie einer wasserdichten Metallummantelung wurde die Maßnahme neu formuliert. Neben der Sicherung der Mauern vor eindringendem Wasser sollte dem bis dahin aufgegebenen Ort schnell wieder ein urbaner Charakter verliehen werden. In der verdichteten Architektur der Stadt sind es die Fassaden der Gebäude, die ihr Form und Charakter geben.
RAHMEN FÜR URBANES LEBEN
Es wurde eine Art improvisiertes Konzept umgesetzt, für das die Stützmauern als Ausgangspunkt dienen, während auf der Grenzmauer im Hintergrund noch die verbliebenen Spuren häuslichen Lebens zu sehen sind. Zum öffentlichen Raum hin präsentiert sich nun eine durchlässige Fassade, auf deren Stützmauern drei Backstein-Gewölbe mit vier eingelassenen Nischen errichtet wurden, die durch einen minimalen Einsatz von Metallstützelementen stabilisiert werden. Entstanden ist eine behelfsmäßige Konstruktion, die mehreren Zwecken dienen kann und das urbane Leben gleichzeitig szenografisch unterstreicht. Die Maßnahme trägt dem Umstand Rechnung, dass die Stadt das Ergebnis einer konstanten Entwicklung ist, und misst den vorhandenen Schichten ihrer Architektur angemessene Bedeutung bei. Die improvisierte Kulisse erzählt insofern eine fiktionale und symbolische Geschichte, die die Aufwertung des Ortes ermöglicht hat.
IM ZEICHEN VON HANDWERK UND HANDEL
Für den Bau wurden hauptsächlich Hohlziegel im Format 280 X 135 x 93 mm in Kombination mit Kalkmörtelfugen verwendet. Die Gewölbekonstruktion konnte durch die Einfügung eines Traggerüsts in einer Schicht erfolgen. Die Verwendung von Ziegelsteinen ermöglichte die Beschäftigung von ortsansässigen Maurern. Stahl kam nur bei der Abstützung der Gewölbe, für die Streben und die beiden Stützpfeiler, zum Einsatz. Die mit Siebdruck versehenen Glaspaneele und die Ausführung der in das Gemäuer eingelassenen Nischen, die der Künstler Quim Domene konzipiert hat, sollen an die Bedeutung des Handwerks und des Handels für das ursprüngliche Zentrum der Stadt erinnern. Dazu gehören geometrische Mosaike des ortsansässigen Kunsthandwerkers Sadurni Brunet, der von 1886 bis 1958 lebte, bedruckte Stoffentwürfe, die im 18. Jahrhundert in der einheimischen Textilindustrie gefertigt wurden, sowie auch eine Auflistung der Läden und Werkstätten, die in den Erdgeschossen der Gebäude in diesem Viertel untergebracht waren.
WIEDERBELEBUNG EINES VIERTELS
An der Seitenfassade der von zwei schmalen Straßen eingegrenzten Kirche Santa Maria del Tura ist so ein öffentlicher Raum entstanden, der von einer nunmehr verschlossenen Tür eines ehemaligen Tempels aus dem 15. Jahrhundert beherrscht wird. Ein aufgegebener Ort hat sich in einen Raum für die Bürger der Stadt verwandelt, die diesen auch mit Aktivitäten für sich zu beanspruchen beginnen. Das Projekt ist ein weiterer Schritt zur Wiederbelebung eines der baufälligsten Viertel im historischen Zentrum der Stadt. Innerhalb kürzester Zeit wurde es bereits von zwei lokalen Einrichtungen als Schauplatz für Feierlichkeiten genutzt. Das architektonische Konzept eröffnet sicherlich vielfältige Interpretations- und Nutzungsmöglichkeiten, die den Vorlieben und Vorstellungen der Bürger der Stadt entgegenkommen. Es gibt ein Can Sau für jeden von ihnen.
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