Drei Fragen an Ulrich Brinkmann
„ Die drei prämierten Wohnhäuser zeigen, dass es möglich ist, besser zu bauen, als es heute Durchschnitt ist.“
Jurymitglied Ulrich Brinkmann spricht im Interview mit Architektur-Expertin Christina Gräwe über die ungewöhnliche Entscheidung der Jury des Erich-Mendelsohn-Preises 2023 für Backstein-Architektur in der Kategorie Wohnungsbau, welchen Effekt Juryentscheidungen haben und worauf es bei der Entwicklung von Quartieren ankommt.


Das Preisgericht hat erstmals gleich dreimal Gold in der Kategorie Wohnungsbau vergeben. Warum?
Ulrich Brinkmann (UB): Weil wir drei Projekte von sehr vergleichbarer Qualität und Aufgabenstellung in drei europäischen Städten vorliegen hatten. Die Gebäude liefern gelungene Antworten auf dieselben Fragen: Wie verbinden wir das Schaffen von genügend städtischem Wohnraum mit einer angemessenen architektonischen Lösung, bei der es nicht nur um Quantität geht, sondern auch um Qualität? Wie bauen wir unsere Städte angemessen weiter, die ja nie eine Tabula rasa, sondern von der Architektur aus Jahrhunderten geprägt sind?
Kann die Signalwirkung von Preisen Einfluss auf die schwerfällige Verwaltung oder gar Politik nehmen, um wieder Bewegung hineinzubringen?
UB: Meine Hoffnung ist, dass man mit einer solchen Entscheidung der Öffentlichkeit und der Politik vor Augen führt, dass es durchaus gute Architektur sein darf, die in der Stadt entsteht, und es nicht nur darum geht, 200.000 oder 400.000 Wohnungen im Zeitraum X zu realisieren. Dass wir uns die Frage stellen, wie dauerhaft diese Gebäude sind und was sie dem Stadtraum geben. Wie sind die Erdgeschosszonen genutzt? Altern die Fassaden gut und schreien sie nicht nach 15 Jahren nach der nächsten Modernisierung? Nachhaltig bauen ist für mich nicht billig bauen. Wir können es uns nicht mehr leisten, für den Moment und so billig wie möglich zu bauen. Die drei prämierten Wohnhäuser zeigen, dass es möglich ist, besser zu bauen, als es heute Durchschnitt ist.


Was ist wichtig für eine erfolgreiche Quartiersentwicklung, die die Lebensqualität steigert?
UB: Das ist jetzt nichts Neues, aber in meinen Augen immer noch nicht ausreichend umgesetzt: die Forderung nach einer möglichst guten Mischung. Funktional und sozial, klein und groß, alt und jung, schon immer da gewesen und neu hinzugekommen. Außerdem wenig Verkehrsaufkommen, Gewerbe, Produktion und Wohnen, Kultur, Bildung – kurz: die 15-Minuten-Stadt. Wenn wir die Quartiere so anlegen, mit einer Architektur, die den Namen verdient, und ansprechenden öffentlichen Räumen, dann tun wir eigentlich nichts anderes als das, was über Jahrhunderte hinweg guten Städtebau ausgemacht hat. Da nach dem Exkurs in die Charta-von-Athen-Stadt wieder hinzukommen, ist nicht leicht. Aber es zeigt sich doch: Monostrukturen sind nicht krisensicher.
Das Interview erschien in Ausgabe 25 der VORTEILE, die die besten öffentlichen Bauten unter den Einreichungen zum Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur präsentiert.