Zwölf Gebäude für zwölf Weihnachtstage
Weihnachten steht vor der Tür – und damit zwölf Rauhnächte bis zum Dreikönigsfest. Mancherorts macht man sich an diesen Tagen zwölf Geschenke, und deshalb haben auch wir eine kleine Überraschung für unsere Leserinnen und Leser: Die Redaktion stellt zwölf ihrer Lieblingsprojekte der etwa 600 Einreichungen zum Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur vor. Sie haben nicht gewonnen, aber sie lösen bei Menschen mit einer Leidenschaft für den Backstein spontan Begeisterung aus. Weil sie innovativ, überraschend und sehenswert sind. Wegen ihres interessanten Verbands, ihrer extravaganten Formsteine oder ihrer besonderen Materialkombinationen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und eine frohe Weihnachtszeit!

INSIDE OUT
Backstein ist aufgrund seiner Witterungsbeständigkeit das dominierende Baumaterial im argentinischen Rosario, doch Diego Arraigada Arquitectos hatten eine neue Idee: Sie haben handelsübliche Vollziegel in zwei Hälften geteilt und diese mit der gebrochenen Oberfläche nach außen freigelegt vermauert. Das Innere des Backsteins – seine raue, unvollkommene Textur, die die menschliche Konstruktion erkennen lässt – wird nach außen gekehrt. So wirkt das Ateliergebäude in den Worten der Architekten „gleichzeitig vertraut und neu, bekannt und fremd“.
EIN HAUS MIT VERLAUF
Diese Fassade in den Berliner Schreibfederhöfen lässt die Herzen unserer Grafiker höherschlagen: Der Farbverlauf der Klinkerflächen von hellbeige zu dunkelrot vermittelt zwischen den hellen Putzfassaden entlang der Straße und den dunklen Klinkerfassaden. Die genau nach den Vorgaben des Architekturbüros Axthelm Rolvien hergestellten, gemischten und vermauerten Backsteine erzeugen zusammen mit den verschiedenfarbigen Fugen einen einzigartigen, harmonischen Verlauf.


DER IDYLLE GEWEIHT
Auf einer Wiese am Waldrand in der Schwäbischen Alb steht ein Haus, das den Betrachter glauben lässt, mitten in eine phantastische Geschichte hineingeraten zu sein. Die Phantasie macht Sprünge und die Sehnsucht kommt auf, sich in das Refugium zurückzuziehen und dort in der Idylle (und dem Pool) zu baden. Der beinahe sakrale Charakter des Hauses ist kein Zufall: Die Bauherren hatten sich in die Diözesankurie in Rottenburg verliebt und die Architekten von LRO vor die Herausforderung gestellt, deren geschlämmte Fassade mit der gewünschten Färbung und Struktur zu reproduzieren.
VON SOLDATEN UND SÄGEZÄHNEN
Mehr als ein Studentenwohnheim sollte es sein, vielmehr ein Zentrum für vielfältiges soziales und kulturelles Zusammenleben. Die entstandenen Orte der Begegnung sind außen wie innen geprägt durch ihre Backsteinfassade, die durch den Sägezahnverband in der unteren Ebene und vertikal gestellte „Soldiers“ ober- und unterhalb der Fenster eine besondere Plastizität und Strukturierung erhält. Die Steine stammen aus der traditionsreichen „St. Joe Brick Works“-Manufaktur nahe New Orleans.


EINE FASSADE, DIE HÖHERE WERTE VERKÖRPERT
Die Fassade des Wohngebäudes in Amsterdam von Office Winhov erinnert an das Innere einer Kirche. Das Mauerwerk enthält reiche Farbnuancen und ist im Blockverband ausgeführt, der ein dekoratives Muster in den Erkern bildet. Außerdem enthält die Fassade maßgefertigte Ziegel mit abgerundeten Ecken. Diese maßgefertigten Ziegel verstärken zusammen mit dem Natursteinsockel den skulpturalen Charakter des Gebäudes und stellen es in die Tradition der monumentalen Wohngebäude in Amsterdam.
LICHTSPIELE IN VERSCHLOSSENEM GARTEN
Licht spielt eine besondere Rolle bei der Kirche St. Johannes: Der kleine Lichthof zur Kirche ist als Hortus Conclusus gedacht – als verschlossener Garten und somit als ein besonderer Ort, der eine eine Licht-Verbindung zum Kircheninnenraum aufbaut. Vom Foyer aus wird der Kirchen- und Saaleingang durch eine hohe Raumellipse mit Oberlicht betont, und so der Übergang vom Profanen zum Sakralen inszeniert. Nach außen erhält der gesamte Bau eine Materialität aus einem warmtonigen, weißlich-hellgrauen Klinker und homogenem Fugenbild. Diese Materialität setzt sich im Inneren der Kirche fort.


GOLDGERAHMT
Während aktuell eher die subtile Eleganz im Trend liegt, schätzen wir die großflächige Kupferfläche als mutiges, nobles Statement gegen den Strom. Der Ausgangspunkt für die Idee des Arbeits- und Wohnkomplexes war es, den alten Industriecharakter zu erhalten und weiterzudenken. Der dunkle, fast schwarze Backstein mit dunklen Fugen entspricht in etwa dem Gebäude von 1897. Die goldene Blechverkleidung der Erweiterungen grenzt sich hingegen bewusst vom Bestand ab, trägt aber auch den industriellen, handwerklichen Charakter weiter.
IN DIE LANDSCHAFT EINTAUCHEN
Die Architekten von Neri&Hu haben sich bei ihrem Entwurf des Hotels von den kleinen Seen der umliegenden Landschaft und den vorgefundenen bestehenden ruinösen Strukturen inspirieren lassen. Daraus haben sie ein Raster aus schmalen, ummauerten Gassen angelegt und dort hinein die Gästezimmer und üppigen Gärten integriert. Die so entstehenden Höfe sind eine moderne Neuinterpretation der traditionellen chinesischen Hoftypologie. Einer der Höfe, der mit dem Empfangsbereich verbunden ist, macht die Essenz des Projektes am deutlichsten spürbar: Der einen halben Meter unter dem Boden liegende Sitzbereich vermittelt dem Besucher das Gefühl, teilweise in die umgebende Wasserfläche einzutauchen.


REUSE UND REGIONALITÄT ALS STÄRKE
Die Auszeichnung Francis Kérés mit dem Pritzker-Preis verkörpert eine Wende in der Architektur. Kéré sagt von sich selbst, er sei durch zwei Schulen gegangen: Die Hochschule in Berlin hat ihn Planen und Konstruieren gelehrt. In Burkina Faso hat er die traditionelle Lehmbauweise gelernt. Wir als globaler Norden legen langsam den Glauben ab, dass wir anderen die Welt erklären können, und beginnen zu verstehen, dass wir von den Ländern des globalen Südens lernen können. Das ist auch der Ansatz des New Makers Bureau, deren Pro-bono-Design des Ateleiergebäudes in Kampala darauf abzielt, ein CO2-armes Gebäude mit einem begrenzten Budget und aus bereits vor Ort vorhandenen Materialien zu errichten.
RÄUME ERSCHAFFEN
In vielen Ländern findet man zentrale Plätze, piazze, plazas oder places, die einen Raum für das soziale Miteinander schaffen. Diese architektonischen Räume machen Kultur erlebbar. Die Wände aus Backstein im Sport- und Freizeitpark in Beijing strahlen eine unmittelbare Vertrautheit und Behaglichkeit aus und der Park wurde schnell ein Beispiel für gelungene Integration und Interaktion aller Altersgruppen: An einer Stelle werden Tai Chi und Fächertanz aufgeführt, schattige Bänke laden die Älteren zum Nachmittagsplausch ein, junge Leute bringen Getränke aus den umliegenden Cafés mit und fotografieren sich vor der Kulisse aus grauem Backstein. Eine eigene Ecke ist mit einem leuchtend gelben Raum im Raum und unterschiedlich großen Öffnungen in den Ziegelwänden zum Versteckspiel ganz den Kleinsten gewidmet. Und wieder andere kommen wegen der Sportanlage.


GROSS GEDACHT
Traditionelle Ornamentik gegossen in moderne Architektur: Hinter den dicken Mauern der „Gadi“ kann man jeden Tag in einem anderen innenliegenden Hof oder auf einer anderen Terrasse verbringen. Der neue Familiensitz nördlich von Pune vermittelt zwischen Traditionellem und Zeitgenössischem. Die Strukturen des zeitlosen Passiv-Hauses sorgen für ideales Klima im Inneren und minimieren den Energieverbrauch: Windtürme zur natürlichen Kühlung, mehrere Innenhöfe mit Bepflanzungen und Öffnungen, die den Venturi-Effekt erzeugen. Die Sonnenkollektoren auf den Dächern tragen zur Stromversorgung des Hauses bei. Ein Regenwassersammelsystem sorgt für die Bewässerung des Gemüsegartens. Der Familiensitz, der noch an viele Generationen vererbt werden wird, ist ähnlich groß gedacht wie vergleichbare Projekte in Europa und doch ganz anders als alles, was man hier sieht.
GRÜSSE AN DIE NACHBARSCHAFT
Die Idee, Fenster als Rahmen für die Umgebung zu verwenden, erinnert uns an etwas, das man immer beim Bau mitbeachten sollte: Diejenigen, die das Haus, in dem wir wohnen, am häufigsten sehen, sind die Nachbarn. Das Auditorium Theatre in der nordspanischen Gemeinde Illueva ist ein besonders gelungenes Beispiel im Umgang mit historischem Bestand. Um der Abwanderung in dem kleinen Ort, der Verwaltungssitz Aragoniens ist, entgegenzuwirken, sollte er kulturell aufgewertet werden. Der verwendete rote Backstein erinnert an die Töpfertraditionen der Region und fügt sich in die sandsteinfarbenen umliegenden Bauten ein.
